Es gibt diesen Punkt auf dem Weg, an dem plötzlich alles grau erscheint. Der Schwung ist raus, das Herz fühlt sich leer an – Lebensfreude scheint verschwunden oder war vielleicht nie wirklich da. Was nun? Die meisten von uns reagieren mit Aktionismus, suchen im Außen nach Lösungen, versuchen, dem Gefühl zu entkommen. Doch die Lösung liegt nicht im Außen – sie liegt im Anhalten.
Anhalten, innehalten, sich umdrehen – genau dort beginnt der Wandel. Denn Lebensfreude ist nichts, was man sich durch Konsum oder äußere Erlebnisse erschafft. Sie ist nicht die Euphorie eines Kaufes, nicht der kurze Glücksrausch nach einem neuen Ziel. Das ist nur Stimmung, nicht Sein. Echte Lebensfreude ist ein Ausdruck des innersten Wesenskerns. Sie ist ein stilles Strahlen, das aus der Tiefe kommt, wenn du wieder bei dir angekommen bist. Was bedeutet das konkret? Es bedeutet, dass du dich bewusst wieder nach innen wendest. Nicht, um dich zu analysieren oder zu reparieren – sondern um dich zu erinnern: Was ist eigentlich meine Absicht hier zu sein? Was erfüllt mich? Was war da vielleicht schon immer da, aber wurde überlagert von Konzepten, Erwartungen und äußeren Anforderungen?
Viele Menschen verlieren die Verbindung zu sich nicht, weil sie schlechte Entscheidungen treffen, sondern weil sie den Kontakt zum eigenen Sein nie wirklich gelernt haben. In unserer westlichen Kultur ist das Ichsein häufig durch Funktion ersetzt worden. Statt zu fragen „Wer bin ich?“ oder „Wo bin ich?“ leben wir im Modus: „Was muss ich tun?“ oder „Was kann ich optimieren?“. Das erzeugt ein Leben, das zwar funktioniert, aber nicht lebt. Leben ist Freude. Life is Bliss. Diese Aussage ist nicht romantisch-naiv, sondern eine tiefe Wahrheit, die dann erfahrbar wird, wenn die Verbindung zur eigenen Quelle wieder hergestellt ist. Wenn das nicht spürbar ist, dann nicht, weil etwas fehlt, sondern weil die Verbindung verloren oder nie da war.
Der erste Schritt zurück zur Lebensfreude ist daher nicht Aktion, sondern Kontemplation. Anhalten, still werden, dich selbst fragen: Wo bin ich eigentlich gerade? Nicht im geografischen Sinne, sondern ganz existenziell. In welchen Gedanken bin ich verstrickt? Welche Rollen spiele ich? Welche Stimmen in mir sind überhaupt meine? Dieser Prozess ist vergleichbar mit einer Fahrt durch eine fremde Stadt, in der man sich verirrt hat. Mehr Gas zu geben bringt nichts, wenn man nicht weiß, wo man ist. Erst wenn du anhältst, die Karte anschaust und wieder einen Bezugspunkt findest, kannst du neu ausrichten.
In der spirituellen Szene geschieht es häufig, dass man sich in Konzepten verliert. Das Streben nach Erleuchtung kann zu einer neuen Form von Konsum werden – ein spirituelles Bypassing, bei dem man den Kontakt zum eigentlichen Leben verliert. Man folgt Methoden, Vorschriften, Systemen, weil sie einem Erfüllung versprechen, und irgendwann merkt man: Auch hier ist die Freude verschwunden. Auch hier lebt man wieder am Eigentlichen vorbei.
Das ist kein Fehler. Es ist verständlich. Denn die Sehnsucht nach tiefer Freude, nach echtem Leben, ist der Kernantrieb jedes spirituellen Weges. Doch die Konzepte sind nicht das Leben selbst. Auch spirituelle Anweisungen sind nur temporäre Hinweise, keine dauerhaften Lebensrezepte. Du kannst nicht ewig im Zustand des Meditierenden verweilen, wenn das Leben dich gerade zur Aktivität ruft. Und du kannst nicht ständig im „Gewahrsein bleiben“, wenn du gerade in einem vollen Bus stehst oder mit deinem Kind sprichst.
Der wirkliche Guru für dein tägliches Leben ruht in dir selbst. Wenn du dich dir selbst wieder zuwendest, beginnen die richtigen Impulse aus dem Inneren aufzusteigen. Nicht als fertige Antworten, sondern als stille Wegweiser. Dann kann sich auch wieder das zeigen, was du wirklich willst. Was du lernen, erforschen, geben oder beenden möchtest. Dann wird wieder spürbar: Ich bin lebendig. Ich bin da. Lebensfreude ist der Ausdruck eines erfüllten Seins. Sie stellt sich nicht ein, wenn alle Bedingungen perfekt sind, sondern wenn du bei dir bist – auch mitten im Chaos. Und ja, manchmal bedeutet das, Gewohnheiten zu hinterfragen, alte Wege zu verlassen, Konzepte loszulassen, die dir einst geholfen haben, aber dich nun begrenzen.
Und auch der Körper spielt eine Rolle. Ein vergifteter Körper, ein überreiztes Nervensystem, ein bewegungsloses Leben – all das verschüttet ebenfalls den natürlichen Zugang zur Freude. Lebensfreude ist nicht nur spirituell – sie ist auch physisch, psychisch, emotional. Sie ist ganzheitlich. Auch hier braucht es eine Rückkehr zur Natürlichkeit, zur Einfachheit, zu einem gesunden Maß. Am Ende bleibt eine ganz einfache Wahrheit: Du musst nicht wissen, wie es geht. Du musst nur anhalten. Nur das. Anhalten und schauen: Wo bin ich? Und dann beginnt der Weg ganz von selbst. Du wirst erinnert, du wirst zurückgeholt, du wirst gefunden. Denn die Lebensfreude war nie wirklich weg – du warst nur einen Moment lang nicht da.
Und das ist der eine Schritt, der alles ändert.
Ludmilla & Roland // Netzwerk-Erleuchtung Berlin