Viele Menschen beginnen ihren spirituellen Weg mit einem tiefen Sehnsuchtsimpuls – nach Liebe, nach Frieden, nach Einheit. Es ist eine ehrliche Suche. Und doch kann genau diese Suche zur Falle werden. Denn anstatt den Prozess echter Transformation zuzulassen, flüchten sich viele in die Welt der spirituellen Erfahrungen, der Retreats, der lichtvollen Gipfelerlebnisse. Man bewegt sich in einer Bubble, in der es sich wohlig und sicher anfühlt, während man glaubt, dem Erwachen immer näher zu kommen. Doch das, was wirklich zählt, bleibt dabei oft unberührt: das Herz.
Die ersten Schritte auf dem spirituellen Weg sind oft begleitet von Euphorie. Man entdeckt eine neue Welt, trifft Gleichgesinnte, fühlt sich verbunden. Diese Begeisterung ist kraftvoll und wertvoll – sie bringt uns in Bewegung. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem es nicht mehr darum geht, neue Erfahrungen zu machen, sondern die alten Muster zu durchdringen. Genau hier scheitern viele, weil der nächste Schritt nicht mehr angenehm ist. Er ist unbequem, konfrontierend, still. Und vor allem: Er führt ins Herz – nicht in eine neue Erfahrung, sondern in die Bereitschaft, allem zu begegnen, was da ist.
Denn Erwachen ist kein weiteres spirituelles Highlight. Es ist kein ekstatischer Zustand, kein „High“, das man erreichen kann, wenn man nur genug meditiert oder die richtigen Substanzen einsetzt. Diese Erfahrungen mögen motivierend sein, sie können den Geschmack von Wahrheit enthalten, aber sie sind nicht die Wahrheit selbst. Die Wahrheit ist nicht etwas, das kommt und geht – sie ist das, was bleibt. Das, was immer schon da war. Und paradoxerweise ist genau das oft das, was wir übersehen, weil wir so sehr mit dem nächsten besonderen Moment beschäftigt sind.
Der Weg zum Herzen ist ein Weg des Stillwerdens. Ein Weg des Loslassens. Auch des Loslassens der Jagd nach dem Besonderen. Denn wahres Erwachen braucht keine spezielle Erfahrung, sondern eine radikale Offenheit für das, was ist – in jedem Moment, auch im scheinbar ganz Alltäglichen. Wenn du glaubst, es müsste sich besonders anfühlen, wirst du immer wieder enttäuscht sein. Denn das, was du suchst, ist bereits da – und genau darin liegt die Schwierigkeit: Es ist zu einfach, zu nah, zu selbstverständlich.
Und doch – diese spirituelle Jagd ist nicht falsch. Sie hat ihren Platz. Denn durch sie sammeln wir Erfahrungen, wir lernen, wir entdecken unsere Motivation, unseren inneren Ruf. Nur darfst du dich nicht verlieren in dieser Jagd. Du darfst sie nicht verwechseln mit dem Ziel. Der Geschmack ist nicht die Nahrung. Die Erfahrung ist nicht das Erwachen.
Gerade in einer Zeit, in der psychedelische Substanzen, Retreats und spirituelle Techniken so leicht zugänglich sind, braucht es mehr denn je ein waches Bewusstsein dafür, was wirklich trägt. Die Versuchung ist groß, Erleuchtung mit chemisch erzeugten Zuständen oder intensiven Erlebnissen gleichzusetzen. Doch das Nervensystem, das durch solche Mittel überreizt wird, kann langfristig eher ein Hindernis sein auf dem Weg nach innen. Es mag spektakulär wirken, aber das Spektakel ist nicht das Ziel. Das Ziel ist Stille. Weite. Frieden.
Und dann ist da noch das spirituelle Ego – ein besonders trickreicher Begleiter auf dem Weg. Es kleidet sich in Erfahrung, in Wissen, in Licht und Liebe. Es will besonders sein, erkannt werden, anderen voraus. Aber all das führt uns nur weiter weg vom Herzen. Denn das Herz fragt nicht: „Wie weit bin ich?“ Es fragt nur: „Bin ich gerade offen?“ Es zählt keine Retreats, keine Bücher, keine Visionen. Es fragt nur: „Bin ich da?“
Wenn du beginnst, deine spirituelle Praxis nicht mehr als Mittel zur Flucht vor dem Leben zu nutzen, sondern als tiefes Ja zum Leben selbst, beginnt etwas Neues. Nicht spektakulär. Aber echt. Du merkst vielleicht, dass du keine Anleitung mehr brauchst. Keine weiteren Bestätigungen. Sondern nur noch dich – und den Mut, deinem Innersten zu lauschen. Vielleicht wirst du dann einem Lehrer begegnen. Vielleicht auch nicht. Aber das Entscheidende ist: Du wirst deinem Herzen begegnen. Und das genügt.
Folge nicht der Erfahrung. Folge dem, was in dir bleibt, wenn alle Erfahrung vorübergeht. Folge deinem Herzen. Es weiß den Weg – nicht zur nächsten Erfahrung, sondern nach Hause.
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Ludmilla & Roland // Netzwerk-Erleuchtung Berlin